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Fortsetzung von Seite 1
| 19.09.2004. Teile des Rätsels um die «Unbekannte Dame» gelöst

Caroline Jagemann    Juliette Récamier von David (Ausschnitt)              
links: Caroline Jagemann, Gemälde von Ferdinand Jagemann, entstanden etwa zwischen 1800 und 1820 (Tod des Malers)
rechts: Juliette Récamier, Ausschnitt aus dem unvollendeten Gemälde »Mme Récamier« von Jaques-Louis David, 1800

  Animation: Der grün gefärbte Ausschnitt aus dem Bildnis der Juliette Récamier steht mit Bedacht im farblichen Gegensatz zum sich langsam einwebenden Portrait der Caroline Jagemann.


Fortsetzung:
Die geheimnisvolle Ähnlichkeit zweier Bildnisse

Von Anfang an erging es mir wie all jenen, die das Gesicht der Dame als vertraut empfanden. In den Büchern, wo ich das vermeintliche Bildnis häufig überblättert hatte, fand ich nur Bilder des Kopfes der Mme Rècamier aus dem berühmten Gemälde von Jacques-Louis David.

Um die Täuschung für mich selbst plausibel zu machen, wendete ich ein paar einfache Arbeitsmethoden der Bildbearbeitung an. Durch transparente Schichtung gelang es leicht, auf beiden Portraits übereinstimmende Fixpunkte und weiteres mehr zu entdecken.

Die dabei deutlich sichtbar gewordene Kongruenz beider Silhouetten deutet m. E. auf keinen Zufall hin. Erstaunlich ist insbesondere die Verschiedenartigkeit der Posen beider Frauen, die dennoch zur fast identischen Kontur führen. Madame Récamier erlaubt dem Betrachter einen leichten Blick auf ihren Rücken, den hinter den Rücken weisenden linken Arm, die rechte Schulter und die von bauschendem Stoff bedeckte rechte Brust im Profil. Caroline Jagemann hingegen zeigt nicht die Spur ihres Rückens, ihr Oberkörper wendet sich fast im Halbprofil dem Betrachter zu.

Weitere Ähnlichkeiten führen auf die seltsamsten - oder naheliegendsten? - Vermutungen, zu Fragen, zu Überlegungen. Was mag den Künstler bewogen haben, seine Schwester auf diese doch eher geheimnisvolle Weise für alle Zeiten mit Madame Récamier zu verbinden? Vielleicht ist das Gemälde aus seiner Sicht eine Studie? Immerhin ist es nicht oder nicht sonderlich bekannt, währenddessen andere Arbeiten Jagemanns, wie z.B. ein Portrait Goethes, zu Geltung gelangten.
 


Indes, es ist reizvoll zu ergründen, worin Jagemann seinem Modell, seiner Schwester, etwas Eigenes zugesteht. Viel kann es nicht sein, wie der Vergleich beider Portraits zeigt, die Unterschiede ergeben sich vor allem durch (bewusste ?) Ignoranz der Lichtverhältnisse, in denen Caroline Jagemann Modell saß, falls sie das überhaupt tat. Teile der wesentlich den Formen- und Ausdruckscharakter des Gesichtes bestimmenden Licht-Schatten-Zeichnungung halten sich stoisch an die Vorlage des Récamier-Portraits, an anderer Stelle fehlen die modulierenden dunklen Partien. Im Dunklen bleibt, weshalb.

Es ist unbekannt, was den Künstler zu dieser Vorgehensweise veranlasste. Es herauszufinden, könnte spannend sein auf dreierlei Weise: durch Recherchieren neuer Quellen, durch exaktere, noch feiner abgestimmte Vergleiche mittels digitaler Bildbearbeitung sowie durch Versuche, den Pinselstrichen Ferdinand Jagemanns mit der eigenen Hand zu folgen. Vielleicht lassen sich des Malers Gedanken auf die letzte Weise am ehesten erschließen und vielleicht selbst jene der beiden abgebildeten Frauen, wenn sich heute ein Modell mal in die eine, mal in die andere Haltung begeben wird - es heißt, Madame Récamier habe nicht gerne Modell gesessen, häufig zu früh ihre Position verlassen und ihr Platz wurde durch Stellvertreter besetzt, das Bildnis blieb deshalb unvollendet*. Wer Pose und Perspektive der Abgebildeten und des Sofas (das später nach ihr benannt wurde) genauer betrachtet, wird auf den Gedanken kommen, die entspannte Haltung der schönen Pariserin sei für sie selbst womöglich eine Tortur gewesen.



* In zwei verschiedenen online-Quellen wird erwähnt, dass und weshalb Jacques-Louis David das Bild der Mme Récamier nicht vollendete:
http://www.abcgallery.com/bio/recamier.html
http://www.janthor.de/myFavoriteThingsD2.html




www.art-authentic.de | Susanne Kunjappu-Jellinek | eMail | Zuletzt geändert: 17.08.2014